Neues Vorhaben im Jahr 2023: „Sicherheit, Ordnung und Kriminalprävention in Duisburg-Marxloh und Alt-Hamborn“

Das Amt für Stadtentwicklung und Projektmanagement der Stadt Duisburg hatte die Studie „Sicherheit, Ordnung und Kriminalprävention in Duisburg-Marxloh und Alt-Hamborn“ im Rahmen eines offenen Verfahrens ausgeschrieben. Die beiden Stadtteile sind von starken sozioökonomischen Umbrüchen gekennzeichnet – dabei rückte das Thema Sicherheit, Ordnung und Kriminalprävention im Städtebau und in der Stadtteilentwicklung in den Vordergrund. Die Thematik des vorhandenen Sicherheitsniveaus, des Stadtteilimages als (un-)sicherer Ort und das damit verbundene subjektive Sicherheitsempfinden von Bevölkerungsgruppen im Stadtteil soll systematisch bearbeitet werden, um positive Perspektiven für die Entwicklung der Lebensqualität, der Teilhabechancen und des sozialen Zusammenlebens im Stadtteil ableiten zu können. Als Ziel wird ein innovatives Konzept sowohl zur Erhöhung der objektiven Sicherheitslage als auch der subjektiven Sicherheitswahrnehmung angestrebt, weil sie als Grundvoraussetzungen einer Stabilisierung des Stadträume und eines friedvollen Zusammenlebens gelten.

Den Zuschlag erhielt die Arbeitsgemeinschaft des Ibis-Instituts Duisburg und des Büros Sozial • Raum • Management. Die AG wird sich in dem Vorhaben erstens mit Fragen der städtebaulichen Gestaltung und der technischen Ausstattung des Stadtraumes befassen (z.B. Einbruchsschutz in Gebäuden, Ausstattung von ÖPNV-Haltestellen und des öffentlichen Raumes). Im Blickpunkt stehen zweitens auch Sicherheits- und Kontrollperspektiven von Fachkräften der primären, sekundären und tertiären Kriminalprävention, die vom Aufbau ordnungspartnerschaftlicher Strukturen und Prozessen bis hin zur strategischen Neuausrichtung der Tätigkeiten des Ordnungsamtes im Stadtteil – in der Balance zwischen der Durchsetzung ordnungsrechtlicher Standards und dem Aufbau einer vertrauensvollen Kommunikation in der Bewohnerschaft – reichen. Drittens findet die Managementperspektive von Organisationen wie die Wirtschaftsbetriebe und die Gesellschaft für Beschäftigungsförderung Duisburg oder der Petershof Marxloh Beachtung, die für die Bewirtschaftung, Pflege, Reinigung und Instandhaltung der öffentlichen Räume verantwortlich sind. Und viertens spielt die Stärkung der Nutzungsverantwortung, der sozialen Teilhabe und der Resilienz eine Rolle: Engagierte Persönlichkeiten aus der Bewohnerschaft, aus bürgerschaftlichen Initiativen, lokalen Einrichtungen, Schulen und Vereinen, aber auch aus Netzwerken wie die „Kooperationsrunde Marxloh“ oder das lokale kriminalpräventive Gremium sind dafür zu gewinnen.

Die empirischen Aufgaben vor Ort beinhalten Audits zur Sicherheitslage und zum subjektiven Sicherheitsempfinden in den öffentlichen Räumen. Außerdem sollen bestehende Projektansätze bewertet werden. Insgesamt sollen daraus Handlungsansätze und konkrete Projektmaßnahmen abgeleitet und durch das Quartiersmanagement in Marxloh und Alt-Hamborn umgesetzt werden – z.B. kleine niedrigschwellige aktivierende Beteiligungsprojekte, Maßnahmen zur Eindämmung von Ordnungswidrigkeiten, zur Pflege- und Bestandsbewirtschaftung, die Einbindung von kriminalpräventiver Expertise bis hin zu sozialpädagogischen Maßnahmen der Gewalt- und Kriminalprävention sowie der Förderung von Nutzerverantwortung, Teilhabe, Resilienz und Empowerment. Das Quartiermanagement leistet eine umfangreiche Informations-, Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit, um die Ergebnisse der Studie vor Ort zu verbreiten und die Bewohnerschaft sowie die Akteure aktiv einzubinden und zur Mitwirkung zu gewinnen. Es geht um die Steigerung des Sicherheitsempfindens durch Öffnung schlecht einsehbarer Räume, durch smarte Gestaltungselemente und multifunktionale Flächen. Außerdem sollen ordnungspartnerschaftliche Strukturen und Prozesse aufgebaut werden und ein innovatives Konzept zur Erhöhung des objektiven und subjektiven Sicherheitsempfindens als Grundvoraussetzungen für eine Stabilisierung des Stadtteiles und ein friedvolles Zusammenleben entwickelt werden.

 

Zum Hintergrund: Auszüge aus dem ISEK 2020 der Stadt Duisburg

Die Stadt Duisburg wurde gemeinsam mit Rostock, Plauen und Erfurt für das „Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Städtebauförderung“ vom Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) ausgewählt. Die Laufzeit des Modellvorhabens, das den Titel "Stark im Norden: Alt-Hamborn und Marxloh" trägt, umfasst von 2020 bis zum Jahr 2026 sieben Jahre. Inhaltliche Anforderungen und Förderkriterien beinhalten insbesondere das Aufzeigen innovativer Ansätze und die Beschreibung neuer Wege zur Lösung komplexer Herausforderungen für zukunftsorientierte Stadtentwicklung. Ausschlaggebend für den innovativen Charakter eines Projektes sind zum Beispiel, dass neue Prozesse initiiert, sektorenübergreifendes Handeln gefördert, neue Beteiligungsprozesse angestoßen und besondere Akzente in den Feldern Klimaschutz, Umwelt, Integration oder Bildung gesetzt werden. In diesem Zuge sollen die Projekte beispielgebend für andere Kommunen sein. Der Stadt Duisburg wurde im Rahmen dieses Modellvorhabens eine Förderung des Bundes i. H. v. 25 Mio. EURO (als 50 %-Förderung) für die Stadtteile Marxloh und Alt-Hamborn im Duisburger Norden in Aussicht gestellt.

Marxloh mit rund 21.000 Einwohnern und Alt-Hamborn mit rund 11.000 Einwohnern (jeweils Stand 2019) sind klassische „Arbeiterstadtteile“ umgeben von Schwerindustrie sowie gleichermaßen seit Jahrzehnten Ankunftsstadtteile für Zuwanderung. Funktionsverluste durch den wirtschaftlichen Strukturwandel, die Abwanderung von Facharbeitern der Montanindustrie und der Wandel der Bevölkerungsstruktur prägten und prägen die Situation in den beiden Stadtteilen.

Insbesondere der Stadtteil Marxloh steht seit der Öffnung des EU-Binnenarbeitsmarktes im Jahr 2011 unter hohem Zuwanderungsdruck vor allem aus Südosteuropa. Marxloh galt bis in die 1970er Jahre als „Einkaufszentrum des Duisburger Nordens“. Inzwischen hat sich das Zentrum durch die türkisch geprägte Migrantenökonomie weiterentwickelt. Mit dem Schwerpunkt auf Braut- und Abendmoden zieht der Einzelhandel überregionale Kaufkraft in den Stadtteil. Vielschichtige soziale Problemlagen insbesondere bezogen auf die verstärkte Zuwanderung aus Südosteuropa sowie städtebauliche Missstände wie die steigende Zahl von Problemimmobilien (Vermietung von Wohnraum in Schrottimmobilien) stellen eine Herausforderung für die Stadtentwicklung dar. [...]

Marxloh ist ein Ankunftsstadtteil für verschiedene Generationen von Zuwanderern. Dies begann mit den ersten Gastarbeitern und setzte sich den 1970er Jahren mit dem Familiennachzug der Zuwanderer fort. Bis in die 1990er Jahre war der Stadtteil noch durch alteingesessene Bewohner mit deutscher Staatsangehörigkeit geprägt, was sich in den 1990er und 2000er Jahren änderte. Die selektive Abwanderung der deutschen Bevölkerung und der Zuzug der türkischen Bevölkerung setzten sich fort, sodass die deutsche Bevölkerung bald zur Minderheit gehörte. Begleitet wurden diese Entwicklungen durch die Verschärfung sozialer Problemlagen und Konflikte zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen und innerhalb der Ethnien. Durch die Umsetzung umfangreicher sozialer und arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen in Verbindung mit der städtebaulichen Aufwertung des Stadtteiles konnte Marxloh in den 2000er Jahren zunehmend stabilisiert werden. 

Ab dem Jahr 2010 setzte in Marxloh eine neue Zuwanderungswelle ein. Durch die EU-Osterweiterung kamen vermehrt Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien in den Stadtteil. Es handelt es sich zum Großteil um Armutszuwanderung. Die Zuwanderer sind in ihren Heimatländern von Arbeitslosigkeit und extremer Armut betroffen. Es ist eine hohe Fluktuationsrate der Bevölkerung festzustellen, die im Jahr 2016 mit rund 50 % doppelt so hoch war wie in der Gesamtstadt. Die kurze Verweildauer von Zuwanderern im Stadtteil erschwert den Einsatz nachhaltiger kriminalpräventiver und sozialintegrativer Maßnahmen.

Seit 2015 folgen als weitere Zuwanderungsgruppe die syrischen Flüchtlingen, jedoch in einem im Vergleich zur Zuwanderung aus Südosteuropa geringeren Anteil. [...]

Marxloh ist ein durch überdurchschnittliche Arbeitslosenquoten und Transfergeldempfängern geprägter Stadtteil. Besonders schwer wiegen hierbei die Formen extremer Armut, die insbesondere bei Zuwanderern aus Südosteuropa vorzufinden sind. Aufgrund fehlender Ansprüche an staatlicher Unterstützung bestehen schwere Defizite im Rahmen der gesundheitlichen Grundversorgung, der Wohnsituation und der Bildung. Von diesen Entwicklungen sind insbesondere Kinder und Jugendliche betroffen.

Hinsichtlich der Kriminalitätsstatistik befindet sich Marxloh bezogen auf die Gesamtkriminalitätsrate der Stadt Duisburg im oberen Mittelfeld. Der überwiegend gegebenen objektiven Sicherheit stehen jedoch weit verbreitete Unsicherheitsgefühle in der Bevölkerung gegenüber, die teils aus Gründen wie mangelnder Sauberkeit (Sperrmüll, Sauberkeit), dem schlechten Zustand von Gebäuden und Wohnungen (Schrottimmobilien) und dem Auftreten bestimmter sozialer Gruppierungen im öffentlichen Raum resultieren. Auch die Berichterstattung in den Medien und eine Brandmarkung als „No-go-Area“ haben zu vermehrten Unsicherheitsgefühlen in der Bevölkerung geführt. Die Vermüllung an vielen Stellen im öffentlichen Raum verschlechtert das Stadtbild und erzeugt Abwehrhaltungen und Unsicherheitsgefühle. Durch den vermehrten Aufenthalt von männlichen Personen in größeren Gruppen, tags und vor allem abends, fühlen sich Frauen im Stadtteil teilweise aus dem öffentlichen Raum verdrängt.

Auch in Alt-Hamborn werden zunehmend Gruppierungen von Männern aus anderen Herkunftsländern wahrgenommen, welche sich im öffentlichen Raum, etwa vor Eisdielen oder Wettbüros, aufhalten. [...]

In Marxloh wurden über die Jahre umfassende städtebaulich-räumliche Aufwertungs- und Stabilisierungsmaßnahmen durchgeführt. Bei den städtebaulichen Maßnahmen ist es gelungen, unter intensiver Beteiligung der Bevölkerung, multifunktionale Orte und Räume der interkulturellen Alltagsbegegnung sowie außerschulischer Bildung zu schaffen.

In Bezug auf Marxloh ergibt sich der Vorteil, dass viele Strukturen bereits existieren, auf denen aufgebaut werden kann. In Alt-Hamborn müssen viele Informations- und Beteiligungsstrukturen sowie Akteursnetzwerke erst geschaffen werden. Hierbei können die in Marxloh gemachten Erfahrungen genutzt und so eine effektivere Vorgehensweise ermöglicht werden. Die aus den Erfahrungen in Marxloh identifizierten Erfolgsfaktoren und Hemmnisse gilt es auf die neuen Entwicklungen zu übertragen und bei der Umsetzung von Maßnahmen zu integrieren. [...]

[Quelle: Integriertes Stadtteilentwicklungskonzept Duisburg (ISEK) „Stark im Norden Alt-Hamborn & Marxloh“, Stadt Duisburg 2020]